Dienstag, 24. November 2009

Weihnachten und die Konventionen

Ja, das ist so eine Sache mit den Vorstellungen anderer Leute und den eigenen Wünschen.

Weihnachten im Erzgebirge, das ist wie Fasching in Köln. Die dritte Jahreszeit. Die man auf eine bestimmte Art und Weise verbringt.
Nun lebe ich zwar nicht (mehr) im Erzgebirge, habe aber bestimmte Vorgaben, aber auch Wünsche. An diese Zeit. Und an mein Umfeld.

Weihnachten. Zu Weihnachten sind wir immer zu den Großeltern gefahren. Meine Mutter stammt gebürtig aus dem Erzgebirge und so ein richtiger Erzgebirgler, das habe ich gelernt, hat spätestens zu Weihnachten Heimweh. Und eben jenes trieb und jedes Jahr ins Haus der Großeltern. Denn dort war erst wirklich Weihnachten. Nicht in einer Kleinstadt in Thüringen, wo man vielleicht nicht mal wusste, was ein Schwibbogen ist. Und das dieser zu Weihnachten in jedes Fenster gehört.
In meiner frühen kindlichen Erinnerung war Weihnachten immer hell, freundlich und spannend. Schließlich gab es Geschenke. ;)
Später zogen wir dann ins Erzgebirge. Und waren Weihnachten direkt vor Ort. Und seit dem ist Weihnachten in meiner Erinnerung immer stressig. Denn plötzlich war niemand mehr da, der alles vorbereitete, so wie es zu sein hatte.
Nun wird die Frage aufkommen, wie denn Weihnachten zu sein hat. Nun, bei uns lief das so ab:

Eigentlich wurde in der Adventszeit die Wohnung schon weihnachtlich geschmückt. Doch leider ist das nicht immer so geschafft worden. Aber die Schwibbögen, die standen schon in den Fenstern. Das gab immerhin schon ein Gefühl von Weihnachten.
Ja, am 24. begann der große Showdown. Da wurde der Weihnachtsbaum aufgestellt, den es zu schmücken galt. Nicht jeder hatte da den gleichen Geschmack, das variierte von Aufwendig über schlicht bis kitschig. Letztlich richtete sich die Fülle des Behanges nach den Dingen, die noch ganz und vorhanden waren. Wer den Baum schmückte, das war oft ein Drama. Die Mutter hatte wenig Zeit, der Vater irgendwie auch nicht wirklich. Die Teenager-Töchter hatten keine Lust und die Kleine durfte noch nicht ran. Irgendwie haben wir es dann doch geschafft, aber es entstand jedes Jahr ein gewisser Zeitdruck, denn die Zimmerdeko mit Engeln, Räuchermännchen, Krippe und Weihnachts-Pyramiden musste ja auch aufgestellt werden.
In der Küche herrschte Hochbetrieb. Zum Mittagessen gab es Linsen(suppe), das war eine Familientradition, an der wurde festgehalten. Denn wir alle aßen sehr gern Linsen. Aber das war es nicht, was den Stress ausmachte. Bei uns, wie auch bei vielen anderen Erzgebirglern, gab es punkt 18 Uhr den Gänsebraten mit selbstgemachten grünen Klößen, Sauer- und Rotkraut und diversen anderen Dingen, damit es irgendwie ein Neunerlei wird. Ich erinnere mich, dass es in den ersten Jahren noch Diskussionen um die Füllung gab, letztlich setzte sich aber immer die traditionelle Zubereitung mit Äpfeln und Beifuß durch. So eine Gans braucht in der Regel eine Menge Zeit, bis sie gar ist, es ist also wichtig, sie rechtzeitig in Angriff zu nehmen. Sehr aufwendig ist zudem die Zubereitung von grünen Klößen. Ich habe nie rausbekommen, wieviel Kartoffeln dafür gerieben werden mussten. Sicher waren es mehr als ein Kilo. In meiner Erinnerung war das immer die aufwendigste Prozedur, denn wenn die Kartoffeln gerieben waren (was eine alte Saftpresse übernahm, die für diese Dienste hervorragend geeignet war) wurden sie noch ausgedrückt, die Stärke abgeschöpft, ein Teil gekochte Kartoffeln wurden im geriebenen Zustand beigefügt ... Nebenbei wurde das Sauerkraut vorbereitet, das Rotkraut gab es damals noch nicht im Glas ... wie schon gesagt: Hochspannung in der Küche. Wenn man es als Teenager geschafft hatte keine Aufgabe zu bekommen, dann war aber die Anspannung in jeder Pore des Hauses trotzdem spürbar. Man konnte sich dem nicht entziehen.
Eigentlich wäre ja bis zum Abendessen genügend Zeit gewesen, aber um 16 Uhr war Christvesper in der Kirche und irgendwie war da meistens die Mutter dran mit Orgelspiel und Singen. Ganz oft wurden wir Kinder zur musikalischen Unterstützung mitgenommen. (Und ihr merkt schon, die Küchenvorbereitungen mussten also bis 15 Uhr abgeschlossen sein.)
Gegen 17 Uhr kamen wir wieder heim und da fing dann das Chaos an. Der Tisch musste festlich gedeckt, das Kraut erwärmt, die Klöße geformt und ins Wasser gebracht werden. Punkt 18 Uhr ging man nach Draußen, um das Festgeläut von mindestens drei Ortskirchen zu hören. Nachdem wurde gegessen. Anschließend war Bescherung. Bei drei Kindern und diversen Familienmitgliedern, die bis dahin vielleicht noch gekommen sind, dauerte das seine Zeit. Aber zu spät sollte es dann doch nicht werden. Denn eine Tradition des Erzgebirges war die (Christ)Mette morgens um 5 am ersten Feiertag (angelehnt an die Mettenschicht der Bergleute). Die Kirche war proppenvoll, alle die unterm Jahr nicht in die Kirche kamen (und noch ein paar mehr) kamen an diesem frühen Morgen um sich ein Krippenspiel anzusehen.
Und wenn ich so zurück blicke, dann ist Weihnachten immer gleichbedeutend mit Stress, denn genau so habe ich es immer empfunden. Vor allem auch die letzten Jahre, die wir in der Ferne verbracht haben immer mit dem Ziel, am 24. Abends im Erzgebirge zu sein. Spätestens aber am 25. Und so ist es schon vorgekommen, dass wir in der Nacht "nach Hause" gefahren sind. In der Zeit, in der ich Schichten im Krankenhaus gearbeitet habe, war es ganz besonders schwer, eine Feststimmung aufkommen zu lassen. Manchmal fühlte ich mich erst nach Weihnachten wie Weihnachten. ...

Puh, das ist lang geworden. Aber vielleicht wird hier verstanden, wie schwer es ist, sich von Traditionen zu lösen. Da ich immer noch gern am Nachmittag des Weihnachttages in die Kirche gehen möchte (wo ich jetzt wohne gibt es traditionell ein Krippenspiel um diese Zeit und die Mette um 5 entfällt), möchte ich ungern am Abend die Gans fertig haben. Außerdem habe ich am Abend eine träge Verdauung und nach einem Festmahl am Abend bis weit nach Mitternacht das Gefühl gerade erst gegessen zu haben. Und mit (scheinbar) vollem Bauch ins Bett, das mag ich überhaupt nicht. Außerdem wird es immer so spät mit Geschenken. Wenn ich schon an allen anderen Traditionen festhalten werde, so möchte ich den Gansbraten gern erst am 25. essen. Das ist wirklich viel entspannter.
Und natürlich habe ich mir vorgenommen, die Zimmer schon vor Weihnachten zu "schmücken". Pyramiden, Schwibbögen, Engel und sonstigen Dekokram, das lässt trotz der Temperaturen hoffentlich Vorweihnachtsstimmung aufkommen. Der Baum könnte ja schon am 23. stehen, vielleicht am 24. früh geschmückt werden.
Ich versuche mir mit meinen Kindern eine eigene Tradition aufzubauen und reibe mich doch immer wieder an der alten.

Jetzt habe ich mir erstmal vorgenommen, die Umzugskisten aufzustöbern, welche die Weihnachtssachen enthalten. Das ist doch schon mal ein guter Anfang, denn ich befürchte, die werden ganz hinten stehen. Heute habe ich sonst keinen Termin (außer einen mit meiner Wohnung, die nach Saubermachen schreit). Das klingt doch schon mal nicht schlecht. Oder? Und wenn ich es schaffe, bis Sonntag alle Schwibbögen aufzustellen, dann werde ich sehr stolz sein. Das ist mir die letzten Jahre nämlich nicht gelungen. ;)

Ich werde von meinen Weihnachtsfortschritten berichten.

4 Kommentare:

NettisNadelkunst hat gesagt…

Dein alter Wohnsitz wird Deine immer weithin sichtbaren Schwibbögen vermissen. Hast Du sie schon wieder gefunden?
Bei uns gab's früher immer einen total aufwendigen komplizierten Kartoffelsalat mit genauer Vorstellung was wie lange durchziehen musste und wie was zurechtgeschnippelt ist. Verrückt nicht? Dabei ist Weihnachten doch ganz anders gemeint...

bauchundnase hat gesagt…

Da hast du wohl recht. Wir machen da immer ein Geschieß drum, dabei solte es doch ein besinnliches Fest werden. Jedes Jahr nehme ich mir das neu vor!
Und ja, meine Schwibbögen habe ich heute gefunden. Mal sehen, ob ich sie ans Stromnetz kriege. Das Nachbarhaus strahlt schon wie ein Weihnachtsbaum, aus jedem Fenster leutet es!

NettisNadelkunst hat gesagt…

Ach was, ich red' hier klug rum und mach' doch genau das gleiche. Weihnachten ist eben besonders. Ich lieeeeeeeebe Geburtstage!

Kathi hat gesagt…

Zum Glück kenne ich Familien, die es schaffen, Weihnachten besinnlich sein zu lassen trotz vieler Leute und aller Traditionen (und Neinerlaa, Baum, Schmuck und so weiter). Und die an den Traditionen trotzdem exakt festhalten. Ich werde versuchen, mich an denen zu orientieren bei der Suche nach eigenen Traditionen :-)